Das letzte Rätsel von Tall Munbâqa vor der Lösung

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Von Gisela Schütte
Dittmar Machule, Archäologe an der TU Harburg, hofft in Syrien das Stadtarchiv der frühbronzezeitlichen Stadt Ekalte freizulegen

Die Lehre ist der Alltag, mit dem die Hamburger Hochschulen an die Öffentlichkeit treten. Aber auch in der Forschung können die Wissenschaftler international konkurrieren. Hochschulforschung in Hamburg - eine Serie. 1. Teil: Archäologie. Der steinige Hügel, auf den im Sommer die Sonne brennt, ist in keinem Reiseprospekt abgebildet. Dennoch ist Tall Munbâqa für eine Handvoll Hanseaten ein Traumziel. Denn die Erhebung im Norden Syriens birgt historische Geheimnisse aus über 3500 Jahren. Und in den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob sie auch gelüftet werden können. Eine Frage von 300 000 Mark für das Archäologienteam unter Leitung des Architekten und Stadtplaners Professor Dittmar Machule von der TU Harburg. Denn für die drei abschließenden Ausgrabungskampagnen fehlen noch die Mittel. Gerade jetzt aber erhoffen sich die Forscher den Clou der gut 30-jährigen Untersuchungen: Eine improvisierte Testgrabung 1999 erhärtete den Verdacht, dass sich beim Nordtor der Siedlung ein Großbau im Untergrund befindet - möglicherweise der Haupttempel der Stadt war. Darauf weisen Funde von Keramik, kleinen Gottheiten und Silberschmuck hin, die sonst an keiner anderen Stelle im Boden lagen. Das wiederum bedeutet die Chance, dass dort auch das einstige Stadtarchiv mit den Duplikaten der Tontafeln über alle offiziellen Transaktionen verborgen ist. Das freizulegen, wäre ein einmaliges wissenschaftliches Kapital.Weil die Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch das Heer der Wissenschaftler heiß umkämpft sind, hofft Machule jetzt, auf unbürokratischem Wege Sponsoren zu finden, um das letzte Rätsel von Tall Munbâqa zu lösen.Seit 1969 wird der Hügel im Auftrag der deutschen Orient-Gesellschaft systematisch untersucht. In drei Jahrzehnten wurden Straßen und Plätze freigelegt, große Tempel entdeckt, Wohnviertel gefunden, Hausrat ausgegraben, Stadtwälle und Stadttore identifiziert, kurz - die Forscher können sich ein Bild von der vorderorientalischen Stadt und dem Alltag in der Kommune machen. Sie haben die Gebäude auf dem Bildschirm so rekonstruiert, dass ein imaginärer Stadtrundgang möglich ist. Dabei stellte sich auch heraus, dass es sich um die historische Stadt Ekalte handelte.Gegründet wurde die Stadt in der ausgehenden Frühbronzezeit um 2500 vor Christus. Die Blütezeit lag im Zeitraum zwischen 1600 und 1200 vor Christus. Damals war es eine Anlage mit fünf Stadttoren, Haupt- und Nebenstraße, Wohn- und Geschäftsvierteln. Aus den Funden konnten die Forscher schließen, dass die Ekalter dem Baalskult anhingen, als Ackerbürger, Handwerker und Kaufleute ihren Lebensunterhalt verdienten und bedeutende Handelsverbindungen bis in die Türkei und nach Ägypten unterhielten. Sie jagten Elefanten und Gazellen, bauten Hirse, Linsen, Getreide und Wein an und lagerten ihre Vorräte in riesigen Tongefäßen, die, in Batterien verbunden, wie Kühlräume wirkten.Die Ergebnisse der Grabungskampagne, die einmalige Erkenntnisse über das Leben in spätbronzezeitlichen Siedlungen des vorderen Orient zutage förderten, waren bereits im vorvergangenen Jahr in einer Wanderausstellung auch in Hamburg zu sehen. Was jetzt noch fehlt, ist der Clou der Kampagnen, das Archiv, das zentrale Gedächtnis der Stadt. "Ein Unternehmen mit geringem Risiko", sagt Machule. "Denn entweder, wir stellen ganz schnell fest, dass wir uns getäuscht haben, oder wir landen tatsächlich einen Treffer." Magnetspektrografische Untersuchungen des Bodens, mit denen man Bauten aufspüren kann, hätten jedenfalls viel versprechende Hinweise geliefert.Die Bedeutung Ekaltes liegt für die Archäologen nicht in Goldfunden à la Schliemann, sondern in den Erkenntnissen über den Alltag der Stadt. "Eine Quelle, wie sie bislang nirgendwo existierte", schwärmt Machule, der sich im Alltag an der TU Harburg aktuellen Problemen der Stadtentwicklung widmet und mit seinem Team ein Konzept für den Stadtteil Wilhelmsburg entwickelte.